Leserbrief zum Artikel: „Rückzug aus der Fläche beim ÖPNV“ in der SZ/ Lkr. Erding vom 25.3.2022

29.03.22 –

Mit ungläubigem Staunen habe ich die Überschrift ihres Lokal-Aufmachers vom letzten Freitag gelesen:
„Rückzug aus der Fläche beim ÖPNV“. Aber tatsächlich, man hat sich nicht verlesen. Die Unterzeile klärt auf:
„Landrat Bayerstorfer kann sich ... vorstellen, nur noch starke Bus-Linien zu fördern“.
Ja hat denn der Mann die Schüsse nicht gehört? Tatsächlich gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Krieg
in der Ukraine und dem Nahverkehr im Landkreis Erding. Während der Koalitionsausschuss der im Bund
regierenden Parteien darum ringt, Wege zu finden, die Abhängigkeit u.a. vom russischen Erdöl zu reduzieren
und dafür auch -zumindest befristet- deutlich vergünstigte ÖPNV-Monatstickets beschließen, räsoniert der
Landrat gleichzeitig darüber, den ohnehin dürftigen Öffentlichen Nahverkehr im Landkreis noch weiter
einzuschränken und damit sowohl überzeugte Umweltschützer*innen, als auch diejenigen Menschen zu
verprellen, die schlicht auf den ÖPNV angewiesen sind, weil sie sich kein Auto leisten können oder wollen.
Letztere zwingt er damit zu Hause zu bleiben und z.B. auf Kultur und soziale Kontakte zu verzichten. Erstere
nötigt er dazu, doch widerwillig auf’s Auto umzusteigen, weil man anders von vielen Orten des Landkreises mit
vertretbaren Reisezeiten und Umstiegshäufigkeiten kaum in die Kreisstadt kommt. Außerhalb der
Hauptverkehrszeiten gilt dies übrigens auch für sog. Hauptstrecken. Wer’s nicht glaubt, dem sei eine Reise z.B.
am Sonntag von Erding nach Dorfen oder umgekehrt empfohlen. Wer also z.B. auf Verwandtenbesuche auch
am Sonntag nicht verzichten mag oder Schichtarbeit auch am Wochenende leisten muss, wird auf das Auto
kaum verzichten können.
Und leider erliegen viele Menschen dann tatsächlich dem Irrglauben: ist das Auto schon mal da, lohnt es sich
nur, wenn man es auch täglich benutzt. Dem wird man kaum abhelfen können, in dem man das ÖPNV-Angebot
weiter reduziert. Tatsächlich ist ein leistungsfähiger ÖPNV in Zeiten des Klimawandels und des Artenschwunds,
auch aus Gründen hemmungsloser Versiegelung u.a. durch Straßenbau eine elementare Aufgabe der
Daseinsvorsorge - auch aus sozialen Gründen!
Hingegen wären kreative Lösungen zum Ausbau des Umweltverbundes von Fahrrad-, Fuß- und öffentlichem
Nahverkehr, in Verbindung mit intelligenten Car- und Bikesharing-Konzepten gefragt. Tatsächlich ist aber auch
das Fahrrad im Landkreis selten genug eine tragfähige Alternative für den Alltagsverkehr. Für wie wenig
förderungswürdig die politische Mehrheit im Kreistag den Fahrradverkehr hält, machte der Beschluss im
jüngsten Kreistags-Ausschuss für Umwelt- und Verkehr deutlich, mit dem der Beitritt des Landkreises zur
Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) erneut vertagt wurde, übrigens einer von der
bayerischen Staatsregierung geförderten Initiative. Begründung: man fürchte die Folgekosten. Damit haben
sich Bayerstorfer und die Kreistagsmehrheit gleich an einer weiteren Säule jenes Umweltverbundes vergriffen,
der eine effektive Einsparung bei fossilen Energieträgern und dem damit verbundenen CO²-Ausstoß im
Nahverkehr erlauben würde.
Das muss man sich einmal vorstellen: Da wird ernsthaft mit eventuellen Folgekosten eines Beitritts zur AGFK
gehadert oder mit einer Subvention von € 3,05 je Bus-Fahrgast und Kilometer, während Millionen-Investitionen
in die Auto-Infrastruktur klaglos hingenommen werden. Um welche Folgekosten geht es hier eigentlich? Der
Jahresbeitrag zur AGFK kann ja wohl kaum gemeint sein. Der betrüge laut AGFK-Homepage für den Landkreis
gerade einmal € 3.500,-. Wahrscheinlich geht es eher um die Sorge, dann ja auch tatsächlich fahrradfreundliche
Maßnahmen umsetzen zu müssen. Aber auch da muss sich der Landkreis Erding doch eigentlich keine Sorgen
machen. Schließlich argumentiert man ja selbst mit den 150.000 € die man in ein Radverkehrskonzept
investiert. Was eigentlich ein gutes Argument für den Beitritt zur AGFK wäre, dient aber dem
Verkehrsausschuss dazu, den Beschluss zu vertagen.
Dabei benennt der Landrat das Problem ja selbst: „Der Autoverkehr im Landkreis steige überproportional zu
den Einwohnerzahlen.“ Und diese Fehlentwicklung will man offenbar weiter fördern, indem man die Benutzung
des ÖPNV noch unattraktiver macht und Fehlanreize schafft, wie z.B. monströse Straßenverkehrsprojekte wie
den Ausbau der Flughafentangente Ost, die allein 28 Mio. € kosten soll.
Umso mehr ist der SZ-Kommentar von Gerhard Wilhelm zu begrüßen, der Bayerstorfers Einlassung als das
bezeichnet hat, was es ist: ein „falsches Signal“.
Winfried Eckardt, Dorfen

Kategorie

OV Dorfen

Termine

Komm mit uns zum Erdinger Weihnachtsmarkt!

Ihr seid Neumitglieder, alte Hasen oder einfach Sympathisant:innen von grüner Politik? Dann möchten wir Euch kennenlernen und gemeinsam mit Euch einen schönen [...]

Mehr

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>